PROSA.

Das Telefonat

So tröstlich war dies kurze Wort, diese kleine Ansprache. Die Abwesenheit seiner Worte, die Zielrichtung, welche sie einschlugen, war ebenso schön wie entmutigend, denn sie golten größtenteils nicht mir, diese Mitteilungen. Nein, es war jemand anderes, der sich, selbst nicht bewusst, dem Genuss der Stimme meines Freundes aussetzte – nichtsahnend, wie kostbar und wertvoll ebendiese zu bezeichnen ist. Für mich war es die Zigarette des Tages, die Nadel der Nacht, die Schokolade des Mittags, der Kuss des Lebens. Ja, es war wahrhaftig ein Beleben der inneren Lippen durch die Laute, die die seinigen verließen. Ganz und gar erfüllend für den Bruchteil einer Sekunde. Die Würze, die Akzentuierung. Die wundersame Betonung der zu betonenden Klänge. Und die Entschädigung für die Ausrede seines Zeitdefizits war der Trost einer Verschiebung. Inhalt gegen Formulierung, gegen Aussprache. Der vage Trost einer Vertröstung auf spätere Zeit ist nichts hingegen einer makellosen Zusammenstellung von Worten und nicht zu vergessen die Sprechgewohnheit des Gegenübers, die über den Inhalt hinweg verzaubern kann. Die Liebe zu einer Stimme, zu der Sprache eines Sprechers, ist wie die Morgenröte, die einem entgegen blickt, sobald man zu früher Stunde das Fenster öffnet. Kurzweilig und doch so intensiv. Selbst die Flüchtigkeit seiner Ansprache war tröstlich. Es war der Versuch, mir, seiner Zuhörerin, keinen Schmerz zufügen zu wollen und mich gleichzeitig recht effektiv abzuhandeln. Diese Gesinnung nahmen meine Ohren in feinster Nuancierung wahr. In jedem Wort, jedem Buchstaben steckten drei Worte, zwölf Buchstaben: „Es tut mir leid“.

Foto: Tom Klein