PROSA.

Der erste Tag

Mit geschlossenen Augen nahm sie die Wärme wahr, die durch ihre Augenlider drang und die Helligkeit, mit der sie trotz vermeindlicher Dunkelheit sehen konnte. Schilder schwirrten in ihren Gedanken umher. Hinweisschilder und Warnschilder waren darunter, doch das Licht der Sonne war so stark, dass die Schrift auf der weißen Oberfläche immer schwerer zu erkennen war, bis irgendwann schließlich nur noch jede Menge leere Flächen vorhanden waren. Sie genoss die Reflexion der Sonnenstrahlen und wünschte sich nur noch eines:  Dass mit ihr das Gleiche geschah. Versunken in diesen Wunsch und keine Erinnerungen verschwendend an die Vergangenheit, ließ sie los von jedem Schmutz, der sich in ihrer Seele angesammelt hatte.

Ich rühre den Teig. Jede einzelne Zutat vermischt sich mit der Masse. Eine Einheit bildet sich, aus der ich nun etwas Neues schaffen kann. 

Erfahrungen des Schmerzes, der Freude, der Lust und der Wut wirbelten wild in ihr umher. Jedes Erlebnis hatte Spuren bei ihr hinterlassen. Ablagerungen, die mit der Zeit zu einer Last wurden. Diese galt es loszuwerden. Sie öffnete die Augen. Aus der Reflexion der Sonne auf ihrer Pupille wurde ein immer größerer Kreis aus weißem Licht, das sich auf beide ihrer Augen ausweitete. Sie verstand, was es bedeutete tot zu sein und verharrte in einem todesähnlichen Zustand. Die Haare färbten sich von schwarz zu weiß an ihrem gesamten Körper. Eine Gänsehaut ließ sie spüren, dass alles einen richtigen Weg nahm.

Gegenüber von mir befindet sich ein Plakat mit einem stolzen, weißen Steinbock. Er steht erhaben auf einem hohen Stein. Jeder Blick um ihn herum führt in die Tiefe. Er wird umarmt vom schönen Blau des weiten Himmels. 

Bald komplett eingehüllt vom weißen Strahlen schreitete sie fort mit der Erfüllung ihres lang ersehnten Wunsches. Nachdem ihre Haut nun vollständig so weiß wie Schnee geworden war und sie das Aussehen einer Eiskönigin erreicht hatte, ging ihr das Licht unter die Haut. Sie verwandelte sich in eine gänzlich weiße Projektionsfläche. Nun war alles möglich.
In ihr war alles vereint und sie konnte zu allem und jedem werden. Ihr standen alle Türen offen.