FÜR ERWACHSENE.

Morellen im Schatten

Weinend treibt die dunkle Schwärze das Rot in die Ecke, verbirgt nichts, als den Scham ohne Zweifel und mit großer Sorge um die Vergangenheit. Kohle fängt den fragmentarischen Suff ein und schwärzt und schwärzt und schwärzt den Nagel am anderen Ende der versifften Wand. Muster und Farbe verraten wenig über den eleganten Besitzer. Überdies schlägt die winzige, leicht übersehbare Kirchturmuhr viertel nach zehn. Die Zeit ist vorüber, sodass mikrige Quallen die Lichter blasen. Wenn die Situation faul wird, dann sind die Lichter schwarz. Wir sind im Land der schattigen Morellen.

Bleiches Pfannkuchengesicht leckt und schmatzt und zieht, wo es nicht ziehen soll. Saugt und leckt und schmatzt und zieht. Doch nein, es ist nur ein Kind. Es weiß nicht, was es tut.
Brennend und vor Schmerz stöhnend lege ich mich ins Bett und ziehe mich aus. Schließe die Augen und hoffe, dass mir dieses Biest vom Leibe bleibt. Aber nein, was ist das nur für ein Geräusch? Ich senke meinen Kopf und sehe das Kind, spuckend und lachend zugleich. Etwas in mir ändert sich von Schwarz zu Rot und von Weiß zu Schwarz.
Plötzlich höre ich die Kindesstimme flüstern. Kann es gar nicht richtig verstehen, jedoch vernehme ich einzelne Worte und setze sie ergänzend zusammen. Es ergibt einen grausamen Sinn: „Wolltest du nicht schon immer sterben.“ Es ist eine an mich gerichtete Frage ohne Senken der Stimme am Schluss. Irritiert schaue ich das sabbernde Kind an und verstehe nicht, was es von mir will. Im Halbdunkel wende ich meinen Blick ab zur Uhr. Schon halb Zwölf. Als ich den Hals wieder gerade drehen will, spüre ich Schleimiges an meinen Genitalien. Nicht schon wieder. Voller Ekel stöhne ich kurz auf, traue mich jedoch nicht, mich zu bewegen. Ich fürchte mich vor diesem Kind. Es scheint nicht ganz normal zu sein. Besser gesagt überhaupt nicht normal. Immerzu schaut es mich an aus seinen großen, blauen Kinderaugen, während es an meinem Glied saugt wie an einem Schnuller. Oder an einer weiblichen Brust. Ebendieses Glied, das ich meines nennen darf – kann, ach, muss! – ist hart wie Stein. Ich kann es nicht ändern, kann die Szene nicht umkehren, geschweigedenn beenden. Ich bin erfüllt von widerwertigen Gefühlen und doch brenne ich vor Lust. Ich bin scharf.
Ich versuche die negativen Gedanken wegzuschieben und einfach das Gute isoliert zu genießen. Das Kind macht feuchter Wangen und glückseligen Gesichtsausdrucks immer weiter und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es noch lange dauern würde, bis ich meinen Samen in den kleinen unschuldigen Mund ergießen würde. Aber es zieht sich hin, als wäre es gewollt. Ich unterdrücke andauerndes Stöhnen, doch irgendwann platzt es aus mir heraus und ich schreie und schreie, da sich nun alles in mir entlädt. Es ist unglaublich befreiend.

So laut ich schrie, so laut schrie auch meine Frau, die in der Tür stand – mit Einkaufstüten. Mein Schreien war so laut und ich war zu benebelt gewesen, um zu registrieren, dass sie gekommen war – mit mir. Sie blickte abwechselnd zu mir und auf unser gemeinsames und nun spermaverschmiertes Kind Morelle. Ihr vor Ekel verzehrtes Gesicht blieb nichtssagend. Tagelang änderte sich an diesem Zustand nichts. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ja, aber ich wollte auch über diese Sache nicht mehr reden. Ich schwieg das Thema stattdessen im wahrsten Sinne des Wortes tot.
Eines Tages sitze ich mit dem Kind alleine in der Küche. Ich nehme mir eine Erdnuss und im Augenblick, als ich schlucken will, gleitet sie in meine Luftröhre. Ich sehe das Kind vor mir, wie es herzlich lacht und lacht, als gäbe es nichts anderes zu tun. Ich ringe um Luft, doch die Nuss steckt mir im Hals. Ich falle samt Stuhl um und werde bewusstlos. Eine leise Stimme dringt an irgendein waches Ohr der meinigen und kichert: „Als aus dem kleinen Tod ein großer wurde.“

Es war zu spät für jegliche Hilfe, er war erstickt. Seine Frau, trauernd und das Kind stillend auf dem Arm, denkt zurück und vorwärts und ist wieder im Hier und Jetzt, als sie ein starkes Ziehen an ihren Brustwarzen bemerkt. Erschrocken erblickt sie das Kind und fragt es sanft, und doch halb lachend: „Was machst du denn mit mir?“. Das Kind leckt und saugt und schmatzt und leckt und flüstert: „Wolltest du nicht schon immer ein bisschen sterben?“